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Doktor Who im deutschen FernsehenDie geniale britische Erfolgs-Fernsehserie Doktor Who hat eine recht ärmliche Geschichte in Deutschland. Lief sie in England mit kleineren Unterbrechungen seit 1963, gab es soweit ich ermitteln konnte außer ein paar Sylvester McCoy-Folgen gegen Anfang der Neunziger nur noch einige Leute, die auf dem englischen "Super Channel" im Kabel in den 80ern einige Tom Baker Folgen sehen konnten. Das war's auch schon. Daher war ich natürlich höchst erfreut, zu hören, dass die neue 2005er-Wiederaufnahme der Serie nun endlich in Deutschland ausgestrahlt wird. Gestern, am Samstag den 26.1.2008 um 17:00 Uhr ging es los. Mit nur 3 Jahren Verzögerung... Nach der Internet-Reaktion im Diskussionsbereich zum DVD-Set auf Amazon zu urteilen, haben einige Leute seit 2006 darauf gewartet, und widersprüchliche Informationen vom ausstrahlenden Fernsehsender bekommen. In der rtv hieß es, dass Dr. Who vom Rechteinhaber als Paket mit Desperate Housewives verkauft worden wäre, und so fühlt es sich dann auch an: Als hätten sie es kaufen und zeigen müssen, ob sie wollten oder nicht. Sie haben wohl den letzten Moment ausgesucht, bevor ihre Option ausläuft, darauf gewartet, dass sie zwei Staffeln auf einmal synchronisieren können, wodurch die deutsche DVD-Veröffentlichung dann auch prompt nochmal nach hinten gerutscht ist. Um diese Effizienz auszugleichen, zeigen sie jetzt aber immer zwei Folgen auf einmal. Wenn man eine Serie mit "nur" 13 Folgen hat, und extra auf die zweite Staffel wartet, um eine volle 26-Folgen-Staffel zu haben, warum dann plötzlich zwei Folgen an demselben Tag, hintereinander, zeigen? Das bedeutet, dass man in 6 Wochen mit einer Staffel fertig ist. Die Zuschauer können so die Serie kaum "zufällig" entdecken, und nach 1 1/2 Monaten ist alles vorbei. Und die üblichen nächtlichen Wiederholungen gibt es auch nicht. Wenn man dazu berücksichtigt, dass ich den ersten Trailer gesehen habe, als es ungefähr eine Stunde vor Sendebeginn der Pilotfolge war, bekommt man den Eindruck, dass hier jemand dem Rechteinhaber beweisen will, dass Doktor Who in Deutschland "nicht funktioniert", und die Serie doch bitte von der richtig "heissen Ware" wieder getrennt verkauft werden soll... Soviel zum Hintergrund. Nun weiter zur eigentlichen Präsentation, und damit zur Synchro. Wie jede deutsche Synchro, fühlt sich alles ein Wenig hopplahopp gemacht an. Hie und da ist man auf einen false friend hereingefallen, auf ein gleich klingendes Wort mit anderer Bedeutung (z.B. sagt der Brite "Chips" für Pommes. Chips wären "Crisps"), aber dicke Hunde wie die komplett verhackstückelten Satzfragmente in einigen Babylon 5-Synchros sind glücklickerweise ausgeblieben, und wenn auch hie und da einzelne Details verlorengehen, ist nichts verändert worden, was für das Verständnis des Handlungsfadens notwendig wäre. Trotzdem, warum man Witze, die 1:1 übersetzbar sind, und auch einfach lippensynchron zu bekommen wären, wie das Harmlos/Armlos-Wortspiel des Doktors am Anfang, nicht einfach übersetzen kann? Ich weiss es nicht. Ich beschwere mich ja nicht darüber, dass der Doktor nicht Norddeutsch spricht, nur damit der "Viele Planeten haben einen Norden"-Witz auch funktioniert, aber erst beschwert sich der Doktor, dass Menschen immer nur dasitzen und Pommes essen (mit "Chips" übersetzt...), und dann isst er am Schluß mit Rose Pommes? Diese Charakterisierung geht in der Übersetzung grundlos flöten, und das ist schon schade. Auch die Dialogregie segelt an einigen Stellen Kilometerweit an der Originalregie vorbei. Wer auch immer die Idee hatte, eine "Teenager-Stimme" für Rose zu benutzen, hat offensichtlich ohne Ton durch die Pilotfolge durchgespult. Das wird auch dadurch belegt, dass wir anstatt einer aufmüpfigen, selbstbewussten und leicht genervten 20-Jährigen Rose in der ersten Szene eine tatsächlich verängstigte 14-Jährige bekommen. Da bekommt Rose's Überraschung, dass sie mit einem Wildfremden durch die Zeit reist plötzlich eine ganz neue Bedeutung. Warum macht sie das überhaupt? Schließlich hatte sie in der deutschen Synchro an der ganzen Angelegenheit doch gar keinen Spaß! Der Doktor ist nicht ganz so unpassend synchronisiert, aber ihm fehlt die Autorität von Christopher Eccleston: Man hat eine Synchronstimme gewählt, die nicht nur zu jung klingt, sondern der auch noch jeglicher Bass, jegliche Wärme fehlt. Eccleston ist ein Schauspieler, der viele Schurken gespielt hat, und bestenfalls Leute spielt, die Böses aus Minderwertigkeitsgefühlen tun. Seine Stimme hat Tiefe, und wenn er auch nur schlecht eine Notiz "Ich bin gefährlich, glaub mir doch" vorlesen würde, wäre man trotzdem eingeschüchtert. Um aus ihm einen guten Doktor Who zu machen, mussten ihn die Autoren die ganze Pilotfolge lang als lustigen kleinen Mann herumschlappen und Witze machen lassen, und er musste mit einer Otto-Waalkes-Stimme sprechen. Sie nutzten seine Präsenz und sein Image um zu unterstreichen, dass dieser Mann fähig ist, und das Schauspiel beschränkte sich auf die sympathische Seite. Bei anderen Schauspielern ging das genau umgekehrt, da musste man einen lustigen Kerl erst ein paar beinahe grausame Dinge tun lassen (ich sage nur: Satsuma), um ihm die Autorität zu verleihen, die ein Doktor neben seiner verschrobenen Lustigkeit noch braucht. Aber dies ist kein anderer Doktor. Dies ist der Eccleston-Doktor, und Eccleston hat gravitas, und so wurde der Doktor auch geschrieben. Warum man also so eine ... flache ... Stimme für die deutsche Synchronisation gewählt hat? ... nun, ich will nicht gemein sein. Der Sprecher ist nicht schuld. Wenn man andere Rollen desselben Synchronsprechers gehört hat, fällt auf, dass er sich wirklich mühe gibt, wie ein erwachsener Mann zu klingen. Aber es hilft nichts: Diese Stimmen passen zu Clark und Lana aus Smallville, zu zwei Teenagern, die das Leben entdecken. Eccleston und Piper sind Erwachsene, und werden als solche gespielt. Auch andere Charaktere haben ähnliche Probleme. Bei Jade konnten sie ja nicht viel falschmachen, aber Jackie, Roses Mutter, hat im Original eine nervige Stimme, und das geht auch komplett verloren, sie hat einfach eine nette. Es gab also einige Verluste auf dem Weg zur deutschen Umsetzung. Der neue Doktor Who ist eine epische Serie, mit Pathos. Sie braucht epische Stimmen, die tapfer sein können, und zumindest ein akzeptables Alter für die Schauspieler haben. Und natürlich wird wie in jeder deutschen Synchro auch hier wieder die Musik gnadenlos weggepegelt, und Murray Gold's epischer Soundtrack viel unauffälliger gemacht. Zwar nicht 45 Minuten durchkomponiert wie Babylon 5, ist in Doktor Who die Musik doch deutlich mehr im Vordergrund, und das sollte sie auch in der Synchro sein. Aber es könnte schlimmer sein, und da es sich hier um die ersten zwei Folgen handelt, hoffe ich ja, dass das Synchronstudio nur noch nicht ganz warm geworden war. Trotzdem würde es der Synchronisation in Deutschland guttun, wenn man sich mehr an die Regie-Vorgaben der Original-Serien halten würde, und halt doch einmal das Geld für einen studierten Übersetzer springen ließe, und ihm auch die Zeit und die Drehbücher gäbe, um seine Arbeit gut tun zu können.
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